Friesenkloster by Sina Jorritsma

Friesenkloster by Sina Jorritsma

Autor:Sina Jorritsma [Jorritsma, Sina]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-07-18T16:00:00+00:00


Jannis richtete weiterhin den Lichtstrahl auf die menschlichen Überreste. Rabea zweifelte nicht daran, dass auch die Skelettteile von einem Mann oder einer Frau stammten und nicht von einem Tier. Sie war zwar keine Anatomieexpertin, aber sie war trotzdem ziemlich sicher. Ein betretenes Schweigen breitete sich aus. Jannis fand als erster die Sprache wieder.

„Was soll das, Rabea? Warum öffnet Nußbaum die Sarkophage und nimmt die Knochen heraus?“

Sie schüttelte den Kopf.

„Nein, Jannis. Das hat er nicht getan. Glaubst du wirklich, er hätte die steinernen Sargdeckel bewegen können? Selbst mit Michael Langes Hilfe wäre das nicht zu schaffen. Oder hat er irgendeine hydraulische Maschine hier unten?“

„Das kann ich mir nicht vorstellen. Er könnte so ein Gerät wohl kaum in die Krypta schaffen, ohne dass ich es bemerke.“

„Eben. Also müssen diese Skelettteile woanders her stammen. – Du hast mir doch von diesen mysteriösen Gemächern und von dem Geheimgang erzählt, Jannis. Wenn es diese Räume wirklich gibt – das sind das vielleicht die sterblichen Überreste von Folkmar Tjark!“

„Du meinst, Nußbaum hat den Schatz gefunden?“

„Falls es diese sogenannte Klostergold überhaupt gibt“, schränkte Rabea ein. „Außerdem ist Nußbaum Restaurator und kein Schatzgräber. Es sei denn …“

Sie verstummte, bevor sie den Satz beenden konnte. Es war schon ziemlich heftig, was ihr gerade durch den Kopf gegangen war.

„Was wolltest du sagen, Rabea?“

„Ich dachte mir, dass Nußbaum das Geschmeide vielleicht heimlich beiseiteschaffen will. Aber jetzt komme ich mir schon blöd vor, weil ich diesen Verdacht überhaupt habe. Ich meine, Nußbaum ist mir nicht besonders sympathisch. Aber das macht ihn doch noch lange nicht zu einem Verbrecher. – Weißt du eigentlich von der Geheimschrift in dem verschwundenen Kirchenbuch?“

Rabea beschloss spontan, Jannis noch mehr Vertrauen zu schenken. Darum berichtete sie ihm von dem Geheimnis, das Pater Lukas ihr gezeigt hatte. Bei der schlechten Beleuchtung konnte sie Jannis‘ Gesichtsausdruck nicht sehen. Aber seine Stimme klang schwer beeindruckt.

„Davon höre ich heute zum ersten Mal. Und du glaubst, ohne diese Schrift könnte man die verborgenen Nebengemächer nicht finden?“

„Ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich glauben soll. Aber ich frage mich schon, woher der Schädel und die Knochen stammen.“

„Ja, wir sollten …“

Jannis unterbrach sich selbst, denn plötzlich war Nußbaums Stimme zu hören. Sie klang noch weit entfernt, obwohl es in der Krypta schwierig war, Entfernungen abzuschätzen. Er unterhielt sich offenbar am Kirchenportal mit Michael Lange.

„Raus!“, zischte Rabea und begann im selben Moment zu laufen. Auch Jannis rannte los, was in der Finsternis gar nicht so einfach war. Nur der schmale Taschenlampen-Lichtfinger wies ihnen den Weg. Rabea stolperte, als sie die steilen Treppenstufen erreichten. Aber zum Glück konnte sie sich doch noch fangen. Sie und Jannis rasten die Stiege hoch, wobei sie immer zwei Stufen auf einmal nahmen.

Rabea rang nach Luft. Sie eilte zu ihrem Beichtstuhl, kniete sich hin und begann mit dem Schmirgeln. Jannis verschwand bei seinen Holzarbeiten. Sie hörte, wie er zu hämmern begann. Im nächsten Moment betrat Nußbaum die Kirche.

Rabea war immer noch außer Atem. Sie befürchtete schon, der Restaurator würde sie in ein Gespräch verwickeln. Aber ihr Boss warf ihr nur einen prüfenden Blick zu.



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